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Das berühmteste Foto von Lee Miller zeigt die Fotografin nackt in einer Badewanne – und zwar in Adolf Hitlers Münchner Wohnung in der Prinzregentenstraße kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs. Das offizielle Führerbildnis Heinrich Hoffmanns steht am Wannenrand und eine weibliche Marmorstatue steht neben einer Klingelanlage für Bedienstete. Millers Uniform liegt unauffällig auf einem Hocker, ihre Militärstiefel stehen auf dem Boden. Das Bild ist so legendär wie die Geschichte dieser Frau, die vor allem als Muse und Geliebte von Man Ray bekannt ist. Lee Miller war eine Femme fatale von kühler Schönheit, die dem großen Publikum als Künstlerin lange verborgen geblieben ist. Die New Yorkerin begann ihre Karriere auf dem Titelblatt der „Vogue“. Mit ihrem Teint wie aus Porzellan, Augen wie Kristallen, dem Gesicht einer antiken Statue und ihrer androgynen Figur fasziniert sie die führenden amerikanischen Fotografen ihrer Zeit. Doch sie langweilt sich und träumt im New York des Jahres 1929 von Paris und der Welt der Kunst. Sie will Fotografin werden und zwar an der Seite des Mannes, von dem alle sprechen: Man Ray. Sie sucht ihn in seinem Atelier auf, wird seine Schülerin, sein Modell, seine Geliebte. Man Ray arbeitet mit Surrealisten wie Paul Eluard zusammen, mit Salvador Dalí und Tristan Tzara, aber vor allem mit Man Rays bestem Freund Marcel Duchamps. Gemeinsam befreien sie die Kunst von jeder ästhetischen und moralischen Beschränkung. Durch einen Zufall finden Lee Miller und Man Ray ein Verfahren, mit dem sie ihre Fotos durch Überbelichtung verfremden. Doch Lee Miller, die viel jünger ist als Man Ray, lebt die freie Liebe und entzieht sich auch beruflich immer mehr ihrem Mentor. Lee sucht ihren eigenen Weg im Surrealismus, sie emanzipiert sich und verlässt Man Ray. Im Oktober 1932 geht sie zurück nach Amerika. Im Herbst 1939 kehrt sie als Kriegsberichterstatterin für die „Vogue“ mit ihrem Fotoapparat nach Europa zurück. Sie ist einer der wenigen Frauen, die bei der Befreiung eines Konzentrationslagers dabei sind und fotografiert das Grauen in Dachau. Der Kriegsfotograf David Sherman macht das verstörende Bild von Lee Miller in Hitlers Privatwohnung, das die Banalität des Bösen zeigt. Die lange unbekannt gebliebene Künstlerin hinterlässt ein Werk mit 60.000 Negativen, die ihr Sohn kurz nach ihrem Tod entdeckte.